(Kein) Abschied - Filmforum Höchst

Filmforum Höchst
Emmerich-Josef-Straße 46a
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(Kein) Abschied

        
Kein Abschied, nur ein kleines „Auf Wiedersehen“:
Die letzte Dezember-Aufblende von K.P. Roth

Besonders seltsam für mich ist es allerdings, nach fast 40 Jahren Kinoarbeit im Filmforum, am 31. Dezember 2020 Abschied von der Arbeit für das Kino zu nehmen. Vier Jahrzehnte Kino in Höchst, mit einigen Unterbrechungen, bedeuteten Eintauchen in die Faszination des Kinos, Filmkultur, politische und gesellschaftliche Diskussionen, Verstehen anderer Kulturen – nicht nur im Film – und Begegnungen mit Filmschaffenden aus aller Welt, die oft von besonderer Nachhaltigkeit gekennzeichnet waren. Das gilt vor allem auch für die vielen Mitarbeiter*innen im Filmforum-Team, die kürzer oder länger oder sehr lang im Kino mitgearbeitet, das Programm und die Ausrichtung des Filmforums maßgeblich mitbestimmt haben und die teilweise noch heute dem Kino verbunden sind.
Und natürlich auch die Festivalgruppen, die ehrenamtlich mit ungeheurem Enthusiasmus und vielen, vielen Arbeitsstunden die Festivals (Interregionales Festival Hessen – Aquitaine – Histoires de Rire, Die DDR im Film, Cuba im Film, Africa Alive, Venezuela im Film, Kurdische Filmtage) möglich gemacht haben. Die gute Zusammenarbeit mit der Hessischen Filmszene, besonders mit dem Hessischen Film- und Kinobüro und dem Filmhaus Frankfurt sei hier ebenfalls erwähnt sowie natürlich auch die Unterstützung der VHS Kolleg*innen und unseres Fördervereins Aufblende e.V.
Meine Zeit im Filmforum war somit immer eine Zeit des gemeinsamen Arbeitens vor allem im Filmforum-Team, getragen von ganz verschieden Menschen ganz unterschiedlicher Altersgruppen und ganz verschiedenen Zugängen zum Kino, die aber der Enthusiasmus für das Kino und das Interesse an der gemeinsamen Reflexion über die besondere Kunstgattung Film und seine gesellschaftliche Bedeutung geeint hat.
Dieses Interesse hat unser Publikum immer geteilt und hier sollte auch erwähnt werden, dass das Filmforum immer ein sehr interessiertes, dem Kino verbundenes und angenehmes Publikum, das uns auch in der Schließzeit im Frühjahr begleitete und durch seinen Zuspruch motivierte, hatte und noch weiter haben wird. Sabine Imhof, die schon 13 Jahre im Filmforum mitarbeitet, wird meine Stelle übernehmen und zusammen mit dem Team das Kino weiterführen, hoffentlich bald befreit von der Pandemie: ein Kino, das Ort der öffentlichen Reflexion, Faszination und ein Garant für die Filmkultur bleiben wird: Ein dunkler Saal, eine Leinwand und ein Publikum, das sich jeden Abend immer neu zusammenfindet, weit entfernt vom isolierten Konsum auf dem Sofa, gespeist durch die Streamingdienste.
Abschied vom Kino, Abschied vom Filmforum?
Auf keinen Fall! Auch im „Ruhestand“ werde ich noch im Kino und bei den Festivals präsent sein, nicht nur wegen der Filme, sondern auch wegen des gemeinsamen Arbeitens, wegen der Freundschaften, die sich im Zusammenhang mit der Arbeit im Filmforum entwickelt haben, im Filmforum-Team, in den Festivalgruppen „Cuba im Film“, „Africa Alive“, etc. Wir werden uns also noch sehen im Filmforum, vielleicht aber auch etwas entspannter, das soll ja den sogenannten Ruhestand kennzeichnen.

Bleiben Sie gesund!

               Klaus – Peter Roth
Einer für alle – alle für ein verbindendes Kinoerlebnis:
Klaus-Peter Roth und die bewegende Geschichte des
Filmforum Höchst

Eine bunte Gruppe von Filmenthusiasten war das VHS FILMSTUDIO seit 1969 von Anfang an. Als noch der Bund für Volksbildung e.V. sich als Träger für die Volkshochschule verantwortete, wurden im einstigen Volksbildungsheim in Höchst jeden Donnerstag 16mm Filme vorgeführt. Zum damaligen Stammpublikum gehörte auch schon Klaus-Peter Roth. Man zeigte Filmkunst, beschäftigte sich mit Filmklassikern, stellte Themenreader zusammen und diskutierte mit dem Publikum. Auch in der kleinen Spielpause, als das Volksbildungsheim dem ersten Bau des BIKUZ (Bildung- und Kulturzentrum) weichen musste, blieb das Kollektiv nicht untätig und veranstaltete Wochenendseminare, um sich für die Zukunft zu wappnen: Der neue Name – FILMFORUM HÖCHST – wurde ab dem 21.11.1975 das Markenzeichen des engagierten Kinokollektivs und mit dem Film Alice in den Städten im neugebauten BIKUZ feierlich zelebriert. Jahre später zum 25. Jubiläum erschien Regisseur Wim Wenders höchst selbst als Gast im Kino und erfreute sich an der sympathischen Diskussion mit dem hiesigen Publikum. Im Zuge der von Hilmar Hoffmann angeregten Kommunalisierung der VHS unter dem Motto „Kultur für alle“ wechselte der Träger 1975 vom Verein zur Kommune und damit folgte das FILMFORUM HÖCHST als kommunales Stadtteilkino seinem berühmten Namensvetter, dem filmforum Duisburg, dem ersten seit 1970 an die städtische Volkshochschule angeschlossenen kommunalen Kino in Deutschland.
Im großen Saal des BIKUZ wurde fortan Kino auf 35mm-Projektoren an inzwischen zwei Abenden projiziert – durchaus auch vor ausverkauftem Publikum bis zu 400 Personen. Außerdem brachte das Kollektiv die Leidenschaft zum Film dahin, wo Menschen gemeinhin nicht ins Kino gehen können – in die Justizvollzugsanstalt oder ins Altenpflegeheim. Ab 1977 involvierte sich auch Klaus-Peter Roth zunehmend stärker am Spielbetrieb als aktives Mitglied im sogenannten FOK (Filmstudioorganisationskollektiv) – eine Arbeit, die ihn nie wieder loslassen sollte. Neben seinem Lehramtsstudium nahm ihn die Welt des jungen deutschen Films und des französischen Kinos mehr und mehr ein, aber vor allem auch die Gemeinschaft in der kollektiven Programmarbeit.
1987 wurde das FILMFORUM sesshaft und zog – gemeinsam mit dem Neuen Theater, das weiterhin unter dem Träger des Bunds für Volksbildung e. V. geblieben war – in das Gebäude des ehemaligen Höchster Kinos ein, wo es bis heute seine Heimat gefunden hat. Ein durchgängiges Wochenprogramm wurde geboten und Klaus-Peter Roth konnte eine feste Stelle einnehmen, um sich voll und ganz den Belangen des Kinos zu widmen. Die Arbeit für das Kino trug Früchte – seit Beginn der Einführung im Jahre 1989 erhielt es den Hessischen Kinopreis für ein inspiriertes, international ausgewogenes Filmprogramm und auf Bundesebene regelmäßig den Kinopreis des Kinematheksverbundes.
Mitten in der Planung zu einem DDR-Programm „Die DDR im Film“ kam überraschend die Wende und veränderte den Schwerpunkt auf „Blicke von Ost und West“. Insbesondere die Verbindung zu den Regisseuren Andreas Voigt und Volker Koepp ist seither bestehend geblieben und deren Filme haben einen festen Platz auf der FILMFORUM-Leinwand.
1995 ergab sich aus der Regionalpartnerschaft Hessen – Aquitaine ein gemeinsam organisiertes binationales Filmfestival mit dem Cinema Le Méliès in Pau, startend mit einer Filmreihe über das Lachen im deutsch-französischen Vergleich. Zur Ehrung der Verdienste des FILMFORUMS am Kulturaustausch verlieh das französische Generalkonsulat Klaus-Peter Roth zurecht 2005 den Ordre des Palmes Académique.
1996 spiegelten sich auf der Höchster Kinoleinwand gleich zwei verschieden Kontinente wider: Die Arbeitsgruppe zum „Festival Cine Cubano - Cuba im Film“ formierte sich und brachte ihre erste Ausgabe mit Filmen in und über Cuba ins Kino – inzwischen hat das 25. Jubiläum stattgefunden. Außerdem schloss sich das Kinokollektiv aus Begeisterung über das spannende Filmschaffen auf dem afrikanischen Kontinent dem „Africa Alive“ Festivals an. Das FILMFORUM zeigte dabei den ersten Film in berberischer Originalversion mit Untertiteln und erhielt prompt Besuch von Berbern aus ganz Deutschland.
Gezielte Blicke auf diverse Kulturen, wie das „Kurdische Filmfestival“, „Venezuela im Film“ oder die Teilnahme an den Wanderfestivals „Cine italia“ und „Cine brazil“ und spannende Diskussionen zu relevanten Themen zeichnen das abwechslungsreiche Programm inzwischen aus. Immer wieder ist es ihm und seinem Team dabei gelungen, die namhaftesten Köpfe des Weltkinos nach Höchst zu holen: Wim Wenders, Haile Gerima, Humberto Solas, Abderrahmane Sissako, Thomás Gutiérrez Aléa, um nur wenige zu nennen.
Insofern ist es kein Wunder, dass der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk in seinem Roman „Schnee“ 2002 das FILMFORUM HÖCHST als Zufluchtsort für seine Romanfigur erwähnt. Klaus-Peter Roth hat in den über 40 Jahren seines Wirkens für das Kino nicht nur einen internationalen Ruf erschaffen, sondern konnte die kollektive Arbeitsstruktur bewahren und in der Gemeinschaft über die Inhalte des Kinos bestimmen. Und nicht zu vergessen sein Einsatz im Vorstand des Hessischen Film- und Kinobüros, um den Filmtheatern, den gewerblichen ebenso wie den kommunalen, Gehör zu verschaffen. Von 1999 bis 2016 gehörte er dem Gremium ununterbrochen an und hat so in der hessischen Filmpolitik maßgeblich mitgewirkt.
Wenn er nun in den verdienten Ruhestand hinübergleitet, trete ich bange in seine großen Fußstapfen – hoffentlich gut gerüstet als Fotografin und Filmwissenschaftlerin und bereits seit 13 Jahren unermüdlich für das Kino als freie Mitarbeiterin im Team engagiert. Sanft wie der Schnee sollte sich der Übergang gestalten, denn in den Festivalgruppen „Cine cubano“ und Africa Alive“ und dem 1990 gegründeten Verein Aufblende e.V. zur Unterstützung des Kinos wird Klaus-Peter Roth weiterhin für ein Kino der Vielfalt aktiv bleiben.
Von Sabine Imhof erschienen in KINEMA KOMMUNALE No.4 und GRIP #62 (gekürzte Fassung)
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